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#WomenHumanitarians: “Die Arbeit für den Frieden zwischen Menschen und Gemeinschaften bedeutet mir sehr viel”

Dr. Sarah Markiewicz arbeitete fast 10 Jahre als Forscherin und Dozentin für Interkulturelle Theologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Im Jahr 2014 dissertierte sie über die Bedeutung des interreligiösen und interkulturellen Dialogs zwischen Christen und Muslimen. Die studierte Humanistin ist heute Social Cohesion Advisor im Malteser International-Wiederaufbauprogramm für Rückkehrer in die irakische Ninewa-Ebene und setzt sich dort für ein friedliches Zusammenleben und den Dialog zwischen den zahlreichen ethnischen und religiösen Gruppen in der Region ein.

Wie hat Dein Weg Dich in die humanitäre Hilfe geführt?

Ich zog 2014 mit einem Postdoc-Stipendium nach Jordanien. Mein Forschungsprojekt konzentrierte sich auf christlich-muslimische Identitäten in der Levante und ihre Wechselwirkungen entlang religiöser, nationaler und ethnischer Grenzen. Ich wollte die Perspektive derjenigen verstehen, die am unteren Ende der Nahrungskette stehen – der Flüchtlinge. Deshalb meldete ich mich gleichzeitig zur Freiwilligenarbeit bei der Caritas Jordan in Amman, die sich um Flüchtlinge aus Syrien kümmert. Dies geschah kurz nachdem der IS die Kontrolle über Mossul übernommen hatte. Für mich war das eine intensive, aber sehr interessante Erfahrung, die mir die Augen darüber öffnete, wie wichtig es ist, akademische und humanitäre Belange zu verbinden. Dort wurde mir auch klar, dass humanitäre Hilfe religiöse Aspekte berücksichtigen muss.

Zur gleichen Zeit meiner Rückkehr nach Deutschland im Jahr 2015 kamen auch viele Flüchtlinge ins Land. Mein Wunsch, praxisnäher zu arbeiten, verfestigte sich bei meiner Freiwilligenarbeit mit ihnen. In den folgenden Jahren konnte ich meine Kenntnisse in vielen interessanten Bereichen vertiefen. Dazu zählten die Themen Sozialer Zusammenhalt, Prävention von gewalttätigem Extremismus, Jugendengagement, Interreligiöser Dialog und Treiber der Radikalisierung. Als ich dann die Ausschreibung meiner heutigen Stelle entdeckte, war mir sofort klar, dass ich meine Berufung gefunden hatte!

Gab es Momente in Deiner Karriere, in denen sich Dein Geschlecht positiv oder auch negativ ausgewirkt hat?

Das ist schwer zu sagen. Ich habe in meiner Kindheit eine liberale Mädchenschule besucht, wo mir von klein auf beigebracht wurde, dass ich die gleichen Rechte und Chancen wie Männer habe. Von meinen Arbeitgebern und der überwältigenden Mehrheit meiner Kollegen habe ich mich immer geschätzt gefühlt.

In konservativeren Gesellschaften habe ich gelegentlich damit zu kämpfen, in beruflichen Situationen angemessen anerkannt zu werden: Zum Beispiel sprechen männliche Kollegen sich gegenseitig mit "Dr." an, während für mich ein "Darling" übrigbleibt.

In der Zusammenarbeit mit religiösen Autoritäten ist man als Frau immer in die Minderheit. Zusätzlich müssen Frauen stärker auf ihre Kleidung und ihr Verhalten achten, während Männer in dieser Hinsicht nicht im gleichen Maße unter Druck stehen.

Welche Stereotype ärgern dich oder welche Situationen passieren dir immer wieder, nur weil du eine Frau bist?

Zwei Sachen: Wenn Menschen sich erst nach meinem Alter und nach meinem Familienstand erkundigen, bevor sie sich für meinen Beruf interessieren. Und dass die äußerliche Erscheinung einer Frau häufig mit ihrer Heiratsfähigkeit in Verbindung gebracht wird. Das wird in traditionellen Gesellschaften oftmals mehr geschätzt als eine Frau, die gebildet ist und arbeiten geht.

Musstest Du jemals um Dein Leben fürchten? Wie haben Ihre Kollegen in solchen Situationen geholfen?

Ich war nie in einer Situation, in der ich ernsthaft um meine Sicherheit fürchten musste. Wenn es hier im Irak zu einem Vorfall kommt, halten meine Kollegen, die sich schon in schlimmeren Situationen wiedergefunden hatten, an einem ruhigen Verhalten fest. Das hilft auch mir ruhig zu bleiben.

Wie haben andere Frauen Deine Karriere unterstützt?

Ich wurde sowohl von männlichen als auch von weiblichen Vorbildern unterstützt. Aber glaube, dass sie mich aufgrund meiner Leidenschaft und meines Antriebs unterstützt haben und nicht unbedingt aufgrund meines Geschlechts.

Als Hochschullehrer habe ich viele Studentinnen und Studenten betreut und hoffe, dass meine Unterstützung für sie von Nutzen war. Tatsächlich werden drei meiner ehemaligen Studentinnen im Oktober nach Erbil kommen, um über das Ninewa-Wiederaufbauprogramm für ihre Masterarbeiten zu forschen.

Was würdest Du anderen jungen Frauen raten, die eine Karriere in der humanitären Hilfe anstreben?

"Mach es!" Der erste Schritt – die Landung des ersten Jobs – ist bei weitem der schwierigste. Versuche mit Freiwilligenarbeit, durch Gespräche und über Praktika Erfahrungen zu sammeln. Humanitäre Menschen erscheinen manchmal wie ein unorganisierter Haufen, aber sie sind sehr freundlich und werden sich freuen, von Deinem Interesse an humanitärer Arbeit zu hören.

Was bedeutet es für Dich, humanitäre Helferin zu sein?

Die Arbeit für den Frieden zwischen Menschen und Gemeinschaften bedeutet mir sehr viel. Ich bin mir meiner Privilegien bewusst, in eine Familie und Gesellschaft hineingeboren zu werden, die die Bildung von Frauen fördert und in mich als Person investiert. Es ist eine Ehre für mich von anderen Gemeinschaften lernen zu können, und gleichzeitig bin ich bestrebt, meine Fähigkeiten für eine positive Zukunft in den Gemeinschaften beitragen zu können.

August 2019, Susanna Cho

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