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Nothilfe: Erdbebeneinsatz in Nepal

Samstag 25. April 2015: Um 11.52 Uhr Ortszeit erschüttert ein schweres Erdbeben der Stärke 7,8 Nepal. Innerhalb weniger Minuten erhalten internationale Hilfsorganisationen auf der ganzen Welt einen automatisierten Alarm. Die nepalesische Regierung bittet um internationale Hilfe. Mitarbeiter in der Zentrale von Malteser International kontaktieren ihre nepalesischen und internationalen Partnerorganisationen und leiten die Nothilfe ein. Nothilfeexperten aus Köln, Haiti und Thailand machen sich auf den Weg nach Nepal.

Tag 1
Mehr als eine halbe Tonne Medikamente werden verpackt und in einem gemeinsamen Flieger mit Aktion Deutschland Hilft auf den Weg nach Nepal gebracht.

Tag 2
Das erste Einsatzteam von Malteser International erreicht Kathmandu und beginnt damit, traumatisierte Überlebende zu behandeln. Der Flughafen der nepalesischen Hauptstadt ist schwer beschädigt und kann nur wenige Flüge abfertigen.

Tag 3
Weitere Fachkräfte von Malteser International landen in Kathmandu. Sie leisten medizinische Hilfe in den östlichen Regionen Gorkha und Dhulikhel, unterstützen Gesundheitszentren und verteilen Hygienepakete, Medikamente und Zeltplanen an Betroffene.

Woche 2
Malteser International verteilt fünf Tonnen Nahrungsmittel, Decken, Zeltplanen und Hygieneartikel im Distrikt Khavre, nordöstlich von Kathmandu.

Tag 17
Ein zweites schweres Erdbeben der Stärke 7,3 erschüttert erneut die Region am 12. Mai, das Epizentrum liegt im Projektgebiet von Malteser International. Es gibt weitere Verletzte und Tote, viele bereits beschädigte Gebäude stürzen ein. 

Woche 3
Malteser International richtet gemeinsam mit dem Krankenhaus Dhulikhel ein Zelthospital im Dorf Lamo- sanghu, nahe der chinesischen Grenze, ein und verteilt weitere Nahrungsmittel.

Drei Monate später
Die Nothilfephase ist abgeschlossen. Die Arbeit konzentriert sich nun auf den Wiederaufbau, die Räumungs- arbeiten werden intensiviert. Malteser International baut Modelhäuser mit starken Fundamenten und stellt Materialien und Expertise für den weiteren Wiederaufbau bereit.

Sechs Monate später
Politische Spannungen führen zu einer Blockade an der indischen Grenze, Baumaterialien und Benzin gelangen kaum noch ins Land. Trotz der Schwierigkeiten kann Malteser International die Arbeit fortführen. Aufgrund des harten Winters verteilen die Helfer warme Kleidung und Öfen und helfen, die provisorischen Notunterkünfte besser zu isolieren.

Ein Jahr nach dem Beben
Der Wiederaufbau schreitet voran. 822 Menschen haben bereits eine neue Unterkunft erhalten, an 12.000 weitere hat Malteser International Baumaterialien verteilt und sie im Bau erdbebensicherer Häuser geschult. Im Zelthospital wurden seit dem Beben fast 9.000 Patienten behandelt.

Das Erdbeben kostet 8.699 Menschen ihr Leben, mehr als 22.000 Menschen werden verletzt, rund 2,8 Millionen Menschen sind obdachlos.

Nothilfe: Ein Plan für das Unplanbare

Bei "Katastrophenhilfe" oder "humanitärer Hilfe" denken die meisten Menschen sofort an Nothilfe-Ein- sätze, bei denen ein internationales Team nach einer größeren Katastrophe in die Krisenregion reist, um Hilfe zu leisten. Der Alltag der Helfer geht jedoch weit über den Ernstfall hinaus und beinhaltet eine umfangreiche Vorarbeit. Oliver Hochedez, Nothilfekoordinator von Malteser International, gibt einen Einblick in die alltäglichen Prozesse und die Anforderungen an die Helfer:

"Um ihren Job in der entscheidenden Phase nach einer Katastrophe bestmöglich zu machen, bereiten sich Helfer auf ihre Einsätze jahrelang vor. Im Krisenfall werden sie von Kollegen unterstützt, die im Hinter- grund dafür sorgen, dass ihnen alle Informationen, Instrumente und die notwendige Technik zur Verfügung stehen. Regelmäßige Übungen, eine detaillierte Planung und effektive Koordination sind die Basis dafür, dass die Hilfe dort ankommt, wo sie gebraucht wird.

Unser Ansatz: Lokale Kapazitäten und Partnerschaften aufbauen

Bei Malteser International betrachten wir die Nothilfe als Teil eines Zyklus, der in gefährdeten Ländern einen langfristigen Einsatz erforderlich macht. Viele Maßnahmen sind dann am nachhaltigsten, wenn sie Teil eines fortlaufenden Engagements sind. Dies immer mit dem Ziel, die lokale Infrastruktur sowohl vor als auch nach Katastrophen zu stärken. Einige Länder, die von schweren Katastrophen betroffen sind, brauchen auch dann noch internationale Hilfe, wenn die sogenannte Nothilfephase schon längst abgeschlossen ist.

Ein wesentliches Element unserer Strategie bildet die enge Zusammenarbeit mit lokalen Partnern wie Regierungs- und Gesundheitsbehörden oder lokalen Hilfsorganisationen, die es uns ermöglicht, auf ein breites Spektrum von Wissen, Infrastruktur und Netzwerken zurückzugreifen. Die Menschen vor Ort sind nach der Katastrophe die ersten Helfer und diejenigen, die am schnellsten Leben retten können. Indem wir unsere lokalen Partner stärken und unterstützen, stellen wir sicher, dass die Gemeinden vor Ort besser auf zukünftige Notlagen vorbereitet sind und von unserer Arbeit auch dann noch profitieren, wenn unsere Projekte abgeschlossen sind. Der große Vorteil dieses Ansatzes zeigte sich auch bei unserer Erdbebenhilfe in Nepal, wo wir bereits seit September 2012 tätig sind.

Gemeinsam mit unseren dortigen Partnern verbessern wir die Katastrophenvorsorge in häufig von Überschwemmungen betroffenen Dörfern im Süden des Landes, indem wir Frühwarnsysteme einrichten und Wasserquellen vor Verschmutzung durch Hochwasser schützen. Bereits unmittelbar nach dem verheerenden Erdbeben 2015 haben wir über unsere Partner auf eine funktionierende Logistik und Technik zurückgreifen können und in den entscheidenden ersten Stunden und Tagen rasch erste Hilfe für die Überlebenden geleistet.

Lokales Know-how und globale Reichweite

Neben unseren lokalen Partnern sind die internationalen und weltweit agierenden Netzwerke und Bündnisse wichtige Ansprechpartner im Katastrophenfall. Die enge Zusammenarbeit mit internationalen Koordinierungsstellen wie den Vereinten Nationen ermöglicht, die Hilfe in der Katastrophe dorthin zu bringen, wo sie am dringendsten gebraucht wird. Indem wir uns bei unserer Arbeit nach internationalen Qualitätsstandards wie beispielsweise den Core Humanitarian Standards und den SPHERE-Standards richten, stellen wir sicher, dass diese Hilfe wirksam und nachhaltig ist.

Darüber hinaus ermöglichen uns das internationale Netzwerk des Malteserordens und ein Expertenpool eine schnelle Personalgewinnung und Organisation der Logistik im Katastrophenfall. Unser Nothilfe-Team in Nepal bestand aus qualifizierten und sehr erfahrenen Medizinern, Rettungsassistenten und weiteren Experten aus diesen Netzwerken. Einige der Experten waren bereits 2010 nach dem Erdbeben in Haiti und anderen Katastrophen für Malteser International im Einsatz.

Nur zwei Tage nach dem Erdbeben hatten zudem Ehrenamtliche des deutschen Malteser Hilfsdienstes in Deutschland über eine halbe Tonne Medikamente und Hilfsgüter bei unserem Partner action medeor abgeholt und zum Flughafen gebracht, von wo aus sie in einem gemeinsamen Flieger mit Aktion Deutschland Hilft nach Kathmandu geschickt wurden.

Vor Ort: Hilfe für Leib und Seele

Als Hilfswerk des Malteserordens stehen wir für eine der wichtigsten und ältesten Traditionen der Welt: der medizinischen Hilfeleistung. Unser Schwerpunkt ist es, die Gesundheit von Menschen in Not zu verbes- sern. Dabei arbeiten wir nach einem ganzheitlichen Ansatz: Da die Gesundheit der Menschen eng mit ihrer Ernährungssituation, dem Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Anlagen sowie den hygienischen Zuständen, aber auch mit ihrem seelischen Wohlbefinden verbunden ist, integrieren wir in unsere Nothilfe möglichst auch immer Komponenten aus diesen Bereichen. In Nepal versorgte unser Team nicht nur Kranke und Verletzte, sondern leistete auch psychosoziale Hilfe für zahlreiche traumatisierte Menschen, die Familienangehörige, Freunde, Nachbarn, ihr Haus oder ihre komplette Lebensgrundlage verloren hatten.

Rund 2,8 Millionen Obdachlose benötigten dringend einen Platz zum Schlafen, Hunderttausende litten Hunger und Durst. In den Tagen nach dem Beben sowie in den Wintermonaten – als Schnee und Kälte den Menschen zusätzlich zu schaffen machten und Grenzblockaden die Lieferung von Hilfsgütern aus Indien wochenlang verzögerten – haben wir mit unseren lokalen Partnern Zeltplanen, Hygieneartikel, Medikamente, Decken und warme Kleidung an mehr als 70.000 Menschen verteilt und so dazu beigetragen, den Ausbruch von Krankheiten und Epidemien zu verhindern.

Nach der Katastrophe ist vor der Katastrophe: "Building back better"

Das Ziel der Arbeit von Hilfsorganisationen ist es letztlich, sich selbst überflüssig zu machen. Indem wir die Standards der Katastrophenvorsorge in gefährdeten Ländern erhöhen und die Nothilfekapazitäten lokaler Organisationen stärken, wollen wir diese in die Lage versetzen, langfristig ohne externe Unterstützung auf Katastrophen zu reagieren. In den besonders schwer betroffenen Regionen Nepals zeigte sich, dass die traditionelle Bauweise für Erdstöße sehr anfällig war. Von Anfang an war es beim Wiederaufbau das Anliegen von Malteser International, die beschädigten oder zerstörten Strukturen nicht nur zu ersetzen, sondern zu verbessern (building back better). So haben wir Modellhäuser errichtet, die zukünftigen Erdbeben besser standhalten. Gleichzeitig haben wir die Bewohner unserer Projektgebiete im Bau von erdbebensicheren Häusern geschult. Sie erhielten zudem die Baumaterialien, um sich ein neues Zuhause zu bauen.

Wegen der starken Schäden, die das Erdbeben und der anschließende Monsun angerichtet haben, waren Kommunikation und Transportwesen in Nepal fast völlig zusammengebrochen. In Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus in Dhulikhel und dessen medizinischem Personal haben wir ein Zelthospital in Lamosanghu errichtet und damit die medizinische Versorgung zu den Menschen in den abgelegenen Bergregionen gebracht.

Dank eines Vorrats an Medikamenten und Verbandsstoffen für drei Monate war es uns möglich, den Betrieb auch dann weiter fortzusetzen, als Erdrutsche die Straßen zu unserer Gesundheitsstation blockierten. In Abstimmung mit anderen Organisationen vor Ort konnten wir sicherstellen, dass die Bewohner der Region auch zukünftig Zugang zu einer qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung haben werden.
Die so genannte Nothilfephase in Nepal dauerte rund drei Monate.

Wir werden das Land jedoch auch in den kommenden Jahren gemeinsam mit unseren lokalen Partnern unterstützen und die Menschen bei ihrem Neuanfang begleiten. Zusätzlich zum Wiederaufbau von Häusern und Gemeindezentren planen wir den Bau von drei Gesundheitsposten in entlegenen Bergregionen. Die Wasserversorgung und Katastrophenvorsorge werden ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit in den kommenden Jahren sein."

Text übernommen aus dem Jahresbericht 2015

Eine Übersicht über unsere Projekte in Nepal finden Sie hier:


Zahlen und Fakten:

In Nepal unterstützen wir: 

  • Aufbau von Notunterkünften für 12.499 Menschen 
  • Wiederaufbau von 32 Gemeindezentren mit Latrinen
  • Bau von 135 Modellhäusern


Im ersten Jahr nach dem Erdbeben leisteten wir:

  • Not- und Übergangshilfe für rund 92.000 Menschen
  • Behandlung von mehr als 8.800 Patienten


(Stand: Mai 2016)


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