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Flucht aus Mossul vor dem IS

"Als wir die schwarzen IS-Kämpfer in unser Dorf stürmen sahen, wussten wir, dass die Flucht unsere einzige Chance ist. Doch wir waren nicht schnell genug und die Kämpfer haben uns nach Mossul verschleppt. Zum Glück konnten wir von dort entkommen!" Nadja und ihre Familie konnten sich gerade noch so vor dem IS retten und leben jetzt im Flüchtlingslager Bersevi II im Norden des Irak, in dem wir die Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge übernehmen.

Flucht aus IS-Gefangenschaft in Mossul

„Wir reden jeden Tag über unsere Flucht und unser altes Zuhause“, sagt Nadja, 30 Jahre, und wirkt dabei stark traumatisiert von dem, was sie, ihre Mutter, die vier Kinder und ihr Mann erleben mussten. Während ihrer Gefangenschaft durch den IS in Mossul wurden ihre Schwestern verschleppt und vom IS verkauft, ihre beiden größten Söhne mussten an Ausbildungsmaßnahmen des IS teilnehmen. 

„Doch eines Tages konnten die IS-Kämpfer uns für kurze Zeit nicht bewachen, weil sie in Kämpfe verwickelt wurden. Diese Chance mussten wir einfach nutzen. Zusammen mit 50 anderen Gefangenen sind wir geflohen.“ Nadja ist voller Stolz, als sie uns das erzählt. „Ich habe einfach zwei der Kinder an den Armen gepackt und dann sind wir losgelaufen“, ergänzt die Großmutter „wir sind 12 Stunden am Stück gelaufen, möglichst weit weg aus der Stadt, ins Sindschar Gebirge.“ Nur durch den Gewaltmarsch in diese einsame Gegend konnte die Familie ihr Leben retten. Leider haben Nadjas beiden Schwestern es nicht geschafft, bei dem Marsch mitzuhalten. Nadja weiß bis heute nicht, ob die beiden leben, wo sie sind und wie es ihnen geht. 

Überwinterung in Erbil und Ankommen im Flüchtlingslager

Im Gebirge wurde die Familie von der kurdischen Armee mit einem Hubschrauber gerettet und nach Erbil gebracht, die Hauptstadt der autonomen Region Kurdistan. Dort musste die Familie überwintern. „Aber nach der Verschleppung aus dem Dorf und unserer Flucht aus Mossul hatten wir ja nichts. Der Winter machte uns Angst. Zum Glück waren die Menschen in Erbil so hilfsbereit und haben uns mit Lebensmitteln und Decken versorgt. Eine Frau aus Erbil hat uns auch ein Zelt geschenkt, so konnten wir in einem Park in der Stadt unterkommen.“ Doch die hygienischen Verhältnisse im Park waren schrecklich, was gerade für die Großmutter der Familie und natürlich die kleinen Kinder sehr belastend war. „Wir waren unendlich froh, als wir endlich aus dem Park in das neu errichtete Flüchtlingscamp umsiedeln konnten", sagt Nadja.

Die Familie ist jetzt im Flüchtlingslager Bersevi II untergebracht, in dem wir die medizinische Versorgung übernehmen. Sie haben die Möglichkeit, die Gesundheitsstation aufzusuchen und werden dort kostenlos behandelt. Besonders schlimme Hautkrankheiten wie Ausschläge oder Ekzeme, die aufgrund der widrigen Verhältnisse im Park in Erbil leichtes Spiel hatten, machten den Kindern zu Anfang zu schaffen. Durch die besseren hygienischen Verhältnisse und die medizinische Versorgung hat sich die allgemeine gesundheitliche Verfassung der Familie wieder gebessert. „Wir sind sehr froh, dass wir hier endlich wieder zum Arzt gehen können. Seit unserer Flucht aus dem Dorf sind meine Kinder nicht untersucht worden. Auch meine Mutter brauchte nach dem beschwerlichen Winter dringend ärztliche Betreuung. Jetzt geht es zum Glück allen besser", sagt Nadja erleichtert. 

Traumata und Zerstörung erschweren die Rückkehr in die Heimat

Doch was bleibt, sind die Traumata, die die IS-Gefangenschaft und die Flucht ausgelöst haben. Viele schreckliche Erinnerungen verbinden sie mit ihrer Heimat. Außerdem ist dort alles zerstört, denn der IS hat eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Wasser- und Stromversorgung, öffentliche Gebäude wie Schulen oder Krankenhäuser und natürlich Wohnhäuser sind in weiten Teilen des Landes, die unter IS-Herrschaft waren, zerstört. Erneut in der Heimat Fuß zu fassen, wird also eine große Herausforderung für die Familie. Obwohl sie sich nichts sehnlicher wünschen als endlich wieder in Ruhe und Sicherheit leben zu können. 


Eindrücke aus dem Flüchtlingslager in der Nähe von Erbil

                                                                                                 Fotos: Carmen Wolf/Malteser International

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