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„Ich habe Angst, aber Gott ist auf meiner Seite.“

Das erste, was einem ins Auge springt, sind Tumalus Zöpfe, die aufwendig geflochten ein kleines Kunstwerk bilden, das seitlich an ihrem Kopf prangt. „Ich war zu Hause Friseurin", sagt sie ruhig. „Ich liebe es, Haare zu stylen, und ich werde nicht damit aufhören, nur, weil die Umstände jetzt schwierig sind." Tumalu ist 25 Jahre alt und kommt aus Yei im Südsudan. Vor etwas mehr als einem Jahr floh sie vor dem Bürgerkrieg in ihrem Land, als bewaffnete Kämpfer ihr Dorf überfielen. Jetzt lebt sie mit ihrer Mutter, ihren beiden Kindern und ihren Neffen in einer kleinen Lehmhütte im Rhino-Flüchtlingscamp im Norden Ugandas, etwa 600 Kilometer von ihrer Heimat entfernt.

Ihr Lächeln verblasst, als sie beginnt, von den Strapazen ihrer Flucht zu erzählen. „Wir hörten Schüsse und mir wurde klar, dass Menschen, die ich kannte, in dieser Minute getötet wurden. Mein Mann war zu der Zeit nicht zu Hause, aber wir konnten nicht auf ihn warten. Wir rannten sofort panisch in den Wald." Als sie in Uganda ankamen, rief sie ihren Mann an und teilte ihm mit, wo sie mit ihrer übrigen Familie Zuflucht gefunden hatte. Gesehen hat sie ihn seit ihrer Flucht nicht mehr. „Wir haben regelmäßig telefoniert und er wollte auch herkommen. Aber seit drei Wochen kann ich unter seiner Telefonnummer niemanden mehr erreichen. Das Handy ist aus", murmelt sie und unterdrückt die Tränen. „Ich klammere mich an die Hoffnung, dass er nur sein Telefon verloren hat.“

In Norduganda, im Grenzgebiet zum Südsudan, leben mehr als eine Million vertriebene Südsudanesen. Über 80 Prozent von ihnen sind Frauen und Kinder. Viele von ihnen haben Traumatisches erlebt, bis sie in Uganda in Sicherheit waren. „Wir mussten tagelang durch den Busch laufen, um den Kämpfern aus dem Weg zu gehen", erzählt Tumalu und starrt in den Himmel. „Unsere Flucht ist schon über ein Jahr her, aber an die Angst kann ich mich noch genau erinnern. Sobald die bewaffneten Männer dich sehen, vergewaltigen oder töten sie dich. Oder sie vergewaltigen und töten dich."

Nach ihrer Ankunft in Uganda erhielten Tumalu und ihre Familie 900 Quadratmeter Land für den Bau einer Unterkunft und den Anbau von Gemüse. „Wir waren glücklich, als wir das Grundstück erhielten", fährt sie fort. „Aber wir hatten kein Wasser. Ich stand jeden Morgen früh auf, um zum Fluss zu laufen und Wasser zu holen. Das war ein Fußmarsch von 45 Minuten."

Sauberes Wasser war in dieser Gegend bereits knapp, bevor die Südsudanesen in den Norden Ugandas kamen. Die Ankunft der 1,3 Millionen Flüchtlinge verschlimmerte das Problem der begrenzten Wasserressourcen in diesem kargen Landstrich. Vielen Menschen blieb keine andere Wahl, als Wasser aus dreckigen Flüssen und Teichen zu holen. „Ich hatte jeden Tag Angst davor, dass das schmutzige Wasser meine Kinder eines Tages töten könnte", sagt Tumalu schaudernd. „Und dann passierte es: Nach einem Monat hatte mein Sohn Durchfall und wurde krank.“

In verschiedenen Flüchtlingssiedlungen im Norden Ugandas versorgt Malteser International die Menschen bereits seit 2014 mit sauberem Wasser. Zunächst fuhren die Mitarbeiter mit Wassertanks zu verschiedenen Punkten im Rhino-Camp und brachten Trinkwasser. Das war allerdings schwierig, denn das Rhino-Camp ist etwa 60 Quadratkilometer groß und mehr als 120.000 Menschen leben hier. Mit den Wasserlieferungen an ausgewählte Punkte konnten viele Menschen nicht erreicht werden. Damit die Menschen nachhaltig mit Trinkwasser versorgt werden können, bohrte Malteser International im vergangenen Jahr Brunnen. Dadurch erhalten mittlerweile täglich 30.000 Menschen sauberes Wasser.

Inzwischen hat auch Tumalu einen Brunnen wenige Meter von ihrer Hütte entfernt. „Jetzt habe ich das saubere Wasser direkt vor der eigenen Haustür", sagt sie und strahlt. Dort versammeln sich gerade einige Kinder und füllen ihre Kanister. „Jetzt kann ich das Wasser für alle wichtigen Dinge nutzen: kochen, waschen und baden. Seit dem Bau des Brunnens hatte niemand aus meiner Familie mehr Durchfall. Und zusätzlich habe ich jetzt auch mehr Zeit für andere Dinge, da ich mir den weiten Weg zum Fluss sparen kann." 

Tumalu hat ihre Ausbildung im Südsudan nicht abgeschlossen, denn ihrer Familie fehlte das Geld. Im Rhino-Camp hingegen ist sie zum Vorbild für andere junge Frauen geworden. Kürzlich wurde sie zur stellvertretenden Vorsitzenden ihres Viertels im Camp gewählt. In dieser Funktion kümmert sie sich um Opfer häuslicher Gewalt. „Einige Frauen haben schon vor ihrer Ankunft schlechte Erfahrungen gemacht. Und auch hier erleben Frauen häusliche Gewalt. Wir wollen dies ändern und verhindern, dass Frauen und Mädchen von ihren Männern und Vätern geschlagen werden."

Ein Ende des Bürgerkriegs im Südsudan ist nicht in Sicht. Tumalu sieht momentan ihre Zukunft für sich und ihre Kinder in Uganda. Alles, was sie hat, ist Hoffnung. Sie hofft darauf, dass sie die schwere Zeit übersteht und sie ihren Mann eines Tages wiedersehen wird. Und sie möchte ihre Ausbildung abschließen, damit sich ihr Leben zum Besseren wendet. „Ich bin in einem neuen Kapitel in meinem Leben angekommen, ich habe Angst vor der Zukunft und was da noch alles auf mich zukommt, aber ich bin bereit mich dem zu stellen, weil ich Gott auf meiner Seite habe."

(Februar 2018, Michael Etoh)

Dieses Projekt wird von Aktion Deutschland Hilft finanziert.

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