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Lokbahadur Situala, Pilz-Farmer in Nepal: „Das zusätzliche Einkommen geht an meine Enkel, damit sie die Schule abschließen können.“

Gebückt geht Lokbahadur Situala in einer großen, mit schwarzen Planen verkleideten Hütte von einem strohgefüllten Kunststoffsack zum nächsten, die hier in Dreierverbänden von der Decke hängen. Es ist warm und schwül – ideale Bedingungen für gutes Wachstum seiner Austernpilze. Dann hat er gefunden, was er gesucht hat, und zeigt uns zufrieden lächelnd, wie an einer Stelle aus einem Sack – genannt Anzuchtzylinder – winzige Pilze aus dem Reisstroh zu sprießen beginnen: mehr Essen auf dem Tisch für seine Familie und Schulgeld für seine Enkelkinder.

Lokbahaur Situala ist 60 Jahre alt. Der nepalesische Bauer mit dem einnehmenden Lachen lebt mit seiner Frau, seinem Sohn, seiner Schwiegertochter und drei Enkeln in der Gemeinde Panchkanya im Distrikt Nuwakot im Südosten Nepals. Er nimmt seit einigen Monaten erfolgreich an einem von Malteser International und ihren Partnerorganisationen RSDC und KOSHISH ins Leben gerufenen inklusiven Gemeinde-Entwicklungsprojekt teil, das u.a. örtliche Bauern und Bäuerinnen mit niedrigem Einkommen dabei unterstützt, weitere Quellen für finanzielle Einnahmen zu finden – in diesem Fall ist es die Zucht und der Verkauf von Speisepilzen.

Armut, Naturkatastrophen und Pandemiefolgen

Situalas Heimat Nepal zählt zu den fünfzig ärmsten Ländern der Welt. Mehr als ein Drittel der Kinder unter 5 Jahren leiden an Unterernährung. Bedingt durch Klima und geografische Lage ist Nepal hoch anfällig für Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Erdbeben, die große Landesteile immer wieder in der Entwicklung zurückwerfen. Zudem blieben seit Beginn der Coronapandemie, die das Land hart traf, die dringend benötigten Einnahmen durch Tourismus jahrelang fast komplett aus. Vorherige Erfolge in der Armutsbekämpfung und Entwicklungszusammenarbeit wurden so in der Pandemiezeit zunichtegemacht.

Auch im Distrikt Nuwakot leben die Menschen seit Jahren unter erheblich erschwerten Bedingungen. Das Erdbeben 2015 hatte die Region stark getroffen. Viele Häuser wurden ganz oder teilweise zerstört, die Versorgung mit sauberem Trinkwasser ist bis heute in vielen Gemeinden mangelhaft. Die wirtschaftliche Lage ist dementsprechend schlecht, sodass große Teile der Landbevölkerung kaum noch über die Runden kommen und nicht wissen, wie sie ihre Höfe halten und ihre Familien ernähren sollen.

Lokbahadur Situala ist einer von bisher 17 örtlichen Bauern und Bäuerinnen, die wir gemeinsam mit unseren nepalesischen Partnerorganisationen RSDC und KOSHISH innerhalb unseres ganzheitlichen Projektes zur Stärkung der Widerstandskraft unterstützen können, durch die Pilz-Zucht eine neue Möglichkeit für finanzielle Stabilisierung zu finden.

Warum Pilze?

Eine Studie von 2019 zeigte, dass Nepal eines der führenden Pilz-Anbaugebiete der Welt werden könnte. Das Klima ist für die Pilzanzucht ideal, die Rohmaterialien sind relativ günstig verfügbar und die Bauern und Bäuerinnen können die Indoor-Farmen ohne viel Aufwand neben ihrer bisherigen Tätigkeit betreiben. Dennoch steckt dieser Agrar-Industriezweig noch in den Kinderschuhen.

„Sich um die Pilze und die Farm zu kümmern, ist sehr einfach“, bestätigt Situala. „Die größte Herausforderung ist es, die Sporen zu beschaffen.“ Die ersten Pilzsporen sowie Materialien für den Bau der Anzuchthütten und Zucht-Zylinder konnten den Bauern und Bäuerinnen durch unser Projekt zur Verfügung gestellt werden. Die Wahl fiel dabei auf die in vielen Küchen beliebten Austernpilze, die im Verkauf gute Erträge bringen. Alle teilnehmenden Bauern und Bäuerinnen hatten zuvor andere Pflanzen angebaut und erhielten auch nach der ursprünglichen Schulung jederzeit von unseren Partnern vor Ort weitere Unterstützung und Beratung rund um Anbau und Verkauf der Pilze.

Für den Anbau vermischt Situala die Pilzsporen mit Reis-Stroh und schichtet alles in Kunststoffbeutel. Diese Pilzzucht-„Zylinder“ werden neben- und übereinander in einfache, kleine Hütten gehängt, deren Wände aus schwarzer Folie bestehen. So wird es im Inneren warm und die Luftfeuchtigkeit ist hoch – und das mögen die Pilze. Mit einer Packung Sporen lassen sich ca. 15 kg Pilze züchten.

Das Ziel eines solchen Gemeinde-Entwicklungsprojekts ist es, die Resilienz der Bevölkerung in den von den Katastrophen betroffenen Gebieten nachhaltig zu stärken, wirtschaftlich, aber auch psychologisch. Denn erschwerend zur wirtschaftlichen Lange kommt die nach wie vor starke Stigmatisierung psychischer Erkrankungen in der Bevölkerung hinzu – eine Stigmatisierung, die auch Lokbahadur Situala und seine Familie persönlich betrifft, denn eines seiner Enkelkinder spricht nicht und hat mentale Probleme. „Wir unterstützen meine Enkelin. Jetzt habe ich durch die Pilz-Farm ein kleines, zusätzliches Einkommen, das ich vorher nicht hatte.“

Die bisherigen Einkünfte aus der Zucht machen seiner Familie das Leben endlich wieder etwas leichter. Situala behält einen Teil der Pilze für seinen eigenen Haushalt, einen Teil gibt er an Verwandte und Gemeindemitglieder, den Rest verkauft er. Seine Enkelkinder können dank der Verkaufserlöse die Schule abschließen. Er will weitermachen.

Das Projekt wurde 2020 ins Leben gerufen. Lokbahadur Situala baut inzwischen nicht nur Pilze an, sondern ist für das Trainings-Center verantwortlich. Alle hier geschulten Bäuerinnen und Bauern betreiben noch immer ihre Pilz-Farmen. Und viele weitere haben Interesse gezeigt.

(August 2023)

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