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„Die Wände stürzten ein“ – drei Überlebende des Erdbebens in Syrien erzählen ihre Geschichte

Auch Wochen später leben die Menschen in der Erdbebenregion im Südosten der Türkei und im Nordwesten Syriens in ständiger Angst. Tausende Nachbeben erinnern sie immer wieder an die schreckliche Nacht vom 6. Februar, als ein Beben der Stärke 7,7 das Leben vieler ihrer Nachbarn, Angehöriger und Freunde forderte. Drei Überlebende aus Nordwestsyrien erzählen, wie sie das Beben erlebten.

„31 Menschen, eine Familie, verloren in diesem Gebäude ihr Leben”

„Ich lebte im Untergeschoss. Das Haus fing an zusammenzubrechen, Stockwerk für Stockwerk. Wir konnten nicht entkommen. Unser Haus stürzte ein, es blieb nur noch eine kleine Ecke in der Küche“, erinnert sich der 36-jährige Ali, der nun gemeinsam mit seiner Tochter Ghina in einem Camp im Ort Jindires, rund 70 Kilometer nordwestlich von Aleppo, lebt, welches von Malteser International unterstützt wird. Zum Glück gelang es ihm, ein Fenster zu öffnen.

„Ich habe den Beton durchbrochen, konnte aber die Eisenstäbe nicht entfernen“. Isoliert unter den Trümmern, die einst seine Küche waren, harrte er aus. „Die Rettungshelfer zerschnitten die Eisenstäbe. Es war ein 40 mal 40 Zentimeter großes Loch. Dort kletterte ich heraus. Während ich feststeckte, war mir nicht bewusst, dass das ganze Gebäude zusammengebrochen war“, erzählt Ali. „31 Menschen, eine Familie, verloren in diesem Gebäude ihr Leben.“ Viele davon waren seine Angehörigen.

Für die 16-jährige Amal ist die Erinnerung ihrer rufenden Eltern lebhafter als die Erschütterung des Bodens. Als das Beben ihre Heimat im Nordwesten Syriens traf, waren das Mädchen und ihr kleiner Bruder von den Eltern getrennt, da sie auf verschiedenen Etagen schliefen. „Meine Eltern fingen an unsere Namen zu schreien. Sie sagten, es sei ein Erdbeben. Ich nahm meinen kleinen Bruder auf den Arm und rannte“, erzählt sie. „Dann fiel ich hin und wurde ohnmächtig. Als ich aufwachte, war ich auf einmal im Krankenhaus. Ich blutete stark und mein Bein war gebrochen. Ich spürte eine große Wunde hier an der Seite“, berichtet die Jugendliche rückblickend über die Ereignisse jener Nacht. Bei dem Sturz erlitt sie eine schwere Verletzung am Becken. „Sie braucht dringend ein Krankenbett und medizinische Unterstützung“, erklärt ihr Arzt, der in einem Krankenhaus der Independent Doctors Association (IDA) arbeitet, das diese gemeinsam mit Malteser International betreiben. Es ist eines von sechs Krankenhäusern, einer Geburtsklinik mit Kinderkrankenhaus und acht Basisgesundheitstationen in den Regionen Idlib und Nord-Aleppo im Nordwesten Syriens, die derzeit von Malteser International unterstützt werden. „Sie lebt in einem Zelt mit vier Familien, die alle betroffen sind. Sie braucht Nahrung und Medikamente. Anschließend ist eine Physiotherapie erforderlich", fügt der Arzt hinzu.

„Bei den meisten Verletzungen handelte es sich um vielfältige und zahlreiche Brüche der Gliedmaßen, des Beckens, des Kopfes und der Wirbelsäule sowie um Verletzungen des Brustkorbs und des Unterleibs. Nach einer vorläufigen Einteilung nach der Schwere der Verletzungen gab es Notfälle, die sofort behandelt werden mussten. Andere Fälle wurden zur weiteren Behandlung an andere Fachärzte überwiesen, die sie zu einem späteren Zeitpunkt zur orthopädischen Behandlung zurückbrachten. Es gab zahlreiche Fälle von Wunden, Prellungen und einfachen Brüchen, die behandelt wurden“, berichtet Dr. Ibrahim Al-Khatib, der als orthopädischer Chirurg am Armanaz Surgical Hospital arbeitet, das ebenfalls von HIHFAD mit Unterstützung von Malteser International betrieben wird.

Von den Trümmern gerettet, nach zwei Tagen

„Um vier Uhr morgens begann das Erdbeben – ich war gleich hellwach. Das Gebäude fing an zu wackeln. Die Wände stürzten ein. Ich sagte meiner Frau, sie solle aufstehen. Sie tat es nicht, und so fiel die Wand auf sie,“ teilt Muhammad, ein 54-jähriger Mann aus Jindires seine Geschichte. Trotz des Unglücks, das über seine Familie hereinbrach, gab er nicht auf. Er ergriff sofort die Initiative und rief nach seinen Nachbarn, die mit ihm unter den Trümmern steckten. Er forderte sie auf, ihn zurückzulassen und zu entkommen, solange sie es noch können. Zwei Tage harrte Muhammad unter den Trümmern des vierstöckigen Gebäudes aus, ehe er gerettet wurde, doch damit ist sein Überlebenskampf noch nicht beendet. Er und die anderen Überlebenden stehen nun vor einer neuen Herausforderung: „Wir haben nichts und brauchen alles“. Um die Menschen bei den eisigen Temperaturen warm zu halten, werden insbesondere Teppiche, Zelte, Feuerholz, Matratzen, Decken und Solarzellen benötigt. „Es gibt viele Menschen, die medizinische Hilfe brauchen. Wir wollen eine ständige medizinische Anlaufstelle mit Medikamenten. Selbst eine Patrouille gibt es in dieser Gegend nicht“, berichtet Muhammad.

Gemeinsam mit den lokalen Partnerorganisationen leistet Malteser International weiterhin Nothilfe für die vom Erdbeben betroffenen Menschen in Syrien und der Türkei. Glücklicherweise konnten Ali, Amal und Muhammad lebensnotwendige Unterstützung erhalten. Da jedoch zahllose andere Menschen noch immer mit den Folgen der Katastrophe zu kämpfen haben, wird dringend weitere Hilfe benötigt. Spenden leisten einen großen Beitrag dazu, dass sich ihre Gemeinschaften erholen und ihr Leben wieder aufbauen können.

(März 2023)

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