400 Hennen für ein Dorf
Auf dem offenen Platz in Kirbiri ist viel los. Rund zweihundert Menschen verfolgen gespannt, was hier passiert. Die Dorfvorsteher sitzen im Schatten und begrüßen die Mitarbeitenden von Malteser International. In der Mitte des Platzes stehen große, runde, geflochtene Holzkäfige, in denen schlanke Junghennen mit braunen Federn scharren. Zwei Pickups rollen über die unbefestigte Straße ins Dorf, voll beladen mit hölzernen Batteriekäfigen. Diese werden schnell am Straßenrand neben den Hühnern abgeladen. Ein Stück weiter stehen Säcke mit Tierfutter im Schatten. Auf einem Tisch liegen kleine Kärtchen in der Größe von Kreditkarten, die den Empfängern der Junghennenpakete ausgehändigt werden sollen. Auf ihnen stehen die Namen und Nummern der Begünstigten. Daneben liegt eine Liste mit Fotos der Personen zur Überprüfung, damit die Hühner auch an die richtigen Personen übergeben werden. Je acht Hennen werden an 50 Haushalte verteilt. Auf den Listen stehen Personen, die aufgrund ihrer Lebensumstände von der Gemeinde identifiziert wurden. Die Mitarbeitenden arbeiteten eng mit verschiedenen sozialen Gruppen in der Gemeinde zusammen, um die Personen auszuwählen, die diese Unterstützung erhalten sollen.
„Es war ein langwieriger Prozess, die Menschen zu identifizieren, die am meisten Hilfe brauchen. Wir setzten uns zunächst mit den wichtigsten Gruppen zusammen, legten Auswahlkriterien fest und wählten 10 Personen (5 Männer und 5 Frauen) aus, die einen Ausschuss bildeten. Der Ausschuss wurde darin geschult, wie man Menschen nach humanitären Grundsätzen auswählt. Es ist immer wichtig, die Gemeinschaften einzubeziehen, damit sie sich nicht vergessen fühlen", sagt Ahmodu Bukar, der bei Malteser International für dieses Projekt verantwortlich ist.
Gesunde Ernährung
Die Verteilung von Junghennen ist Teil eines Projekts, das vom Auswärtigen Amt unterstützt wird. „Wir wollen zum einen, dass sich die Familien gesund ernähren, zum anderen können sie durch den Verkauf der überschüssigen Eier ein kleines Einkommen erzielen", sagt Aji Dahiru, Programmkoordinator von Malteser International.
Ahmodu Bukar stellt sich vor die versammelte Menge und beginnt zu erklären. Wie öffnet man den Käfig, wie stellt man Futter auf den Futtertrog, Wasser in die Tränke und wie isoliert man, wenn ein Huhn krank wird?
Auch die 24-jährige Habiba Yawu hört sich die Erklärungen an. So lange hat sie jetzt auf diesen Tag gewartet. Acht junge Hennen gehören ab heute ihr. Es ist das erste Mal, dass Habiba solche Hühner besitzen wird. Allein hätte sie sich diese nicht leisten können. Sie hat keinen Beruf gelernt und kann weder lesen noch schreiben. Viele Möglichkeiten gibt es in Kirbiri nicht, für den Lebensunterhalt aufzukommen. Eigene Hühner zu besitzen, ist für sie eine Chance. Doch bevor Habiba die überreicht bekommt, musste sie vieles lernen, erklärt sie. Wie fühlen sich die Hühner im Stall wohl, welches Futter benötigen sie und wie kann sie erkennen, ob sie krank sind? „Ich habe einen Workshop bei Malteser International gemacht. Mit einer Übernachtung. Da wurde mir alles erklärt. Ich weiß jetzt, dass, wenn eines der Hühner krank ist, es wohl zum Beispiel seine Federn verlieren wird. Und es wird weggehen von den anderen und nicht mehr essen oder trinken. Dann kann ich mich bei Malteser International melden und bekomme Hilfe“, sagt Habiba Yawu. Nach der Einführung von Bukar stellt sie sich an den Tisch, sagt ihren Namen, wird von der Liste gestrichen und kann sich ihren Stall samt Hühnern und zwei Säcken mit Hühnerfutter und Medikamenten abholen. Die Karte nimmt sie mit. Sie ist gleichzeitig der Nachweis, dass sie die Hühner von Malteser International bekommen hat und auf der Karte steht auch eine Kontaktnummer drauf, an die sie sich wenden kann, wenn sie Probleme mit den Hühnern hat.
Vier ihrer 14 Geschwister sind gekommen, um ihr zu helfen, den 1,8 Meter hohen Holzstall samt den Hennen zu tragen. Habiba lebt um die Ecke mit ihren Eltern, ihrer Großmutter und ihren Geschwistern in mehreren kleinen Lehmhäusern. Zwischen den Häusern haben sie Matten auf den Boden gelegt und die Frauen der Familie nähen. Als Habiba und ihre Geschwister den Stall in den Hof stellen, ist die ganze Familie begeistert.
Habiba ist in Kirbiri geboren, im Gegensatz zu vielen ihrer Nachbarn, wie zum Beispiel BB Husseini, der nur ein paar Meter entfernt wohnt.
Gerechte Verteilung für den sozialen Frieden
BB Husseini floh vor neuneinhalb Jahren vor dem Terror von Boko Haram hierher. "Seitdem haben wir kein Land mehr, das wir bewirtschaften können. Wir haben hier nichts mehr. Die Terroristen kamen nachts in mein Dorf und griffen uns immer wieder an. Irgendwann haben sie angefangen, die alten Leute zu töten. Da wussten wir, dass wir fliehen müssen. Wir sind in der Nacht gegangen, nur die alten Leute sind geblieben. Kurze Zeit später erfuhr ich, dass sie alle getötet worden waren. Ich war zwei Monate lang allein hier, dann habe ich den Rest meiner Familie wiedergefunden. Am Anfang hatte ich nichts", sagt BB. In seinem Heimatdorf, nur 10 Kilometer von hier entfernt, hatte BB ein Stück Land, das er bewirtschaften konnte. Umso glücklicher ist er jetzt, dass er die Hühner hat, ebenso wie seine Nachbarin Habiba.
„Für den sozialen Frieden ist es sehr wichtig, dass wir nicht nur die Flüchtlinge unterstützen, sondern auch die Aufnahmegemeinschaften. Denn auch Menschen, die schon seit Generationen hier leben, haben oft nicht viel. Gemeinsam mit der Dorfgemeinschaft schauen wir, wer bedürftig ist, in welchen Familien es unterernährte Kinder gibt, ein sicheres Zeichen dafür, dass nicht genug Nahrung vorhanden ist", sagt Aji.
„Die Hühnerverteilung ist für uns jetzt ein Pilotprojekt. Sie ist ein wichtiger Baustein, um die Ernährungssituation der Menschen, die vor den bewaffneten Konflikten fliehen mussten, und derer, die sie in ihren Gemeinden aufgenommen haben, zu unterstützen. Wir würden das gerne noch weiter ausbauen, sind aber dringend auf Spenden angewiesen", sagt Michael Steffen, Referent für Nigeria bei Malteser International.
Acht junge Hühner kosten in Nigeria rund 35 Euro. Kein großer Betrag, aber zu viel für viele Familien, die in Kirbiri wenig haben.