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»Herausforderungen müssen wir strategisch begegnen.«

Ein Interview mit dem Großhospitalier des Ordens über seine komplexe weltweite Arbeit im Spannungsfeld zwischen jahrhundertealten Ordenstraditionen und aktuellen Herausforderungen und wie Malteser International dazu beiträgt.

S.E. Dr. Josef D. Blotz wurde am 18. Februar 2025 zum Großhospitalier des Souveränen Malteserordens ernannt. Er ist ein ehemaliger Generalmajor der Bundeswehr und war zuletzt Deputy Commander des Eurocorps in Straßburg (Frankreich). Seine Aufgaben als Großhospitalier ähneln denen eines Ministers für Gesundheit und Soziales, humanitäre Hilfe und internationale Zusammenarbeit. Er koordiniert und überwacht die Initiativen der Großpriorate, der nationalen Assoziationen und anderer Einrichtungen des Ordens weltweit, die in karitativen und humanitären Aktionen engagiert sind. Darüber hinaus sorgt er dafür, dass die christlichen Grundsätze der Fürsorge und der Menschenwürde gewahrt werden. Der Großhospitalier dient außerdem als Schirmherr von Malteser International (MI), ist Mitglied der MI-Generalversammlung und zu allen Sitzungen des geschäftsführenden Vorstandes von MI eingeladen.

Eure Exzellenz, wie sind Sie zum Malteserorden gekommen und was macht den Orden so besonders?

Anfang der 1990er Jahre lernte ich einige Ordensritter kennen. In den Begegnungen mit ihnen wurde mir klar, was der Malteserorden ist, welchen Idealen er folgt und dass man sich als Christ in ihm auf vielfältige Weise engagieren kann. Im Jahr 1991 wurde mir dann die Gelegenheit zur Teilnahme an der jährlichen Lourdeswallfahrt des Erzbistums Köln gegeben: DER Klassiker für den Beginn eines erfüllten Lebens mit und durch die Malteser. Ich wurde in einem einzigartigen Team von Maltesern und deren behinderten Wallfahrtsgästen herzlich aufgenommen. Seither hat sich mein Leben verändert. Die Aufnahme in die Deutsche Assoziation, ebenfalls in Köln, und die Wahl in die Ordensregierung vor gut zwei Jahren spielten zweifellos eine Schlüsselrolle. Mehr noch aber die in Lourdes und zu Hause gewonnenen Eindrücke des gelebten Ordenscharismas, unserer DNA: „Tuitio Fidei et Obsequium Pauperum“ („Bezeugung des Glaubens und Hilfe den Bedürftigen“).

Wenn ich seither gefragt werde, was den Orden und seine vielfältigen Werke und Dienste trotz aller Veränderungen für noch einmal 1.000 Jahre zusammenhalten wird, sage ich: Es sind nicht die Strukturen, Konzepte, Verfassungen oder etwa gesellschaftliche Wohlfühlfaktoren. Nein, es sind die Armen und Kranken. Sie und unser Einsatz für sie machen den Orden so besonders und zeitlos relevant.

Welche Erfahrungen aus Ihrer Arbeit bei der Bundeswehr und im Eurocorps unterstützen Sie bei Ihrer jetzigen Position?

Als Soldat ist man per se dem Ethos des Dienens verpflichtet, gerade in herausfordernden Situationen. Etwas, das auch gleich am Anfang des Maltesergebets zum Ausdruck kommt. Dort heißt es: „Herr Jesus Christus. Du hast mich aus Gnade berufen, Dir als Malteser zu dienen.“ Dieser Gedanke, kombiniert mit den Erfahrungen aus vielen Jahren der Arbeit in internationalen Kontexten – auf weite Strecken auch in Krisen- und Kriegsgebieten –, helfen mir sehr, den vielschichtigen Dienst des Großhospitaliers zu schultern. Denn hier kommt es wiederum auf Kommunikation und Aktion in internationalen, komplexen Handlungsfeldern an.

Was sind Ihre aktuellen strategischen Prioritäten?

Auf einen Nenner gebracht geht es um die Verbesserung von Kommunikation und Koordination unserer Werke und Dienste rund um die Welt: unseres einzigartigen Ordensnetzwerks. Deswegen bin ich viel unterwegs. Als Großhospitalier kann ich dabei auf meinen Reisen für unsere Projekte zusätzliche Aufmerksamkeit schaffen – ich bemühe mich gern um die Wahrnehmung unserer Mitglieder und Helfenden und der großartigen Arbeit, die sie leisten. Im Kontakt mit unseren Mitarbeitenden in aller Welt ist mir außerdem die Freisetzung von Synergien sehr wichtig. Und es geht mir darum, Herausforderungen auch als Chancen zu sehen.

Konkrete Handlungsfelder sind die Hilfsprojekte in der Ukraine, das Heilige Land mit dem Holy Family Hospital in Bethlehem und dem medizinischen Projekt in Gaza, die Stärkung der Zusammenarbeit im Asien-Pazifik-Raum sowie die Unterstützung unserer Kapazitäten und Bereitschaft für den Einsatz in plötzlich auftretenden Katastrophen. Das jüngste Erdbeben in Myanmar und Thailand hat gezeigt, wie wichtig gute Vorbereitung ist und wie zuverlässig MI in diesem Bereich agiert. Das macht MI zu einem der wichtigsten Werkzeuge für mich in meiner internationalen Arbeit.

Wie war Ihr erster Kontakt zu Malteser International, welche Eindrücke haben Sie gesammelt?

Als Angehöriger des Souveränen Rates des Ordens seit Anfang 2023 und jetzt umso mehr als Großhospitalier habe ich intensiv Kontakte zu MI gepflegt. Das Gaza-Projekt, eine meiner Prioritäten, stand und steht dabei im Vordergrund. In Köln, im Heiligen Land, aber auch weit darüber hinaus habe ich immer wieder unfassbar passionierte, erfahrene und vom Gedanken des Dienens durchdrungene MI-Mitarbeitende kennengelernt. Ich habe großen Respekt vor ihrem Werk, das unsere nachhaltige Unterstützung verdient.


»Dies, hier und heute, sind unsere Zeiten und unsere Herausforderungen, zu deren Bewältigung wir berufen sind, ohne Wenn und Aber. Malteser International mit seinem weltweiten Netzwerk, seinen passionierten Mitarbeitenden und den Wurzeln in unserem Orden kann dabei als Vorreiter gesehen werden.«

S.E. Dr. Josef D. Blotz, Großhospitalier des Souveränen Malteserordens


Sie sagten, dass die Arbeit in Gaza für Sie ein Projekt mit Priorität ist. Warum gerade dieses Projekt?

Mit dem Gaza-Projekt adressieren wir die immensen humanitären Bedürfnisse der Menschen vor Ort in einer Lage, die wir aus den Nachrichten kaum noch erfassen können und die vielen inzwischen hoffnungslos erscheint. Selbstverständlich nicht nur die Bedürfnisse der wenigen Christen dort, sondern aller Männer, Frauen und Kinder in Not. In Zusammenarbeit mit dem Lateinischen Patriarchat von Jerusalem konnten wir im Jahr 2024 dringend benötigte Lebensmittel nach Nord-Gaza liefern. Zurzeit schaffen wir die Voraussetzungen für den Aufbau einer Container-Klinik zur medizinischen Grundversorgung in Gaza. Um die nächsten konkreten Realisierungsschritte gehen zu können, braucht es jedoch dringend die entsprechende Sicherheitslage, offene Grenzen und weitere finanzielle Mittel. Wir dürfen die Menschen im Heiligen Land, wo auch die Wurzeln unseres Ordens liegen, nicht vergessen.

Die derzeitige Weltlage ist komplex und herausfordernd. Wie kann der Orden und kann Malteser International dem begegnen?

Auf Herausforderungen müssen wir strategisch reagieren und proaktiv Antworten geben. Sie ergeben sich aus der Weltlage, aber auch aus dem Orden und seiner konkreten Wirklichkeit. Vor dem Hintergrund langanhaltender Krisen, einer stetig höheren Zahl von Menschen in Not bei gleichzeitig steigender Skepsis gegenüber Wert und Wirkung der humanitären Hilfe, müssen wir auch nach innen schauen: Denn es geht immer und überall um Wandel und Anpassung. Wir begegnen den derzeitigen Herausforderungen in all unseren Werken mit der kontinuierlichen Weiterentwicklung von Konzepten und Strukturen. Dabei dürfen wir niemals unseren Wertekern als religiöser Orden und unser wunderbares, kombiniertes Ordenscharisma „Tuitio Fidei et Obsequium Pauperum“ aus den Augen verlieren. Dann und nur dann können wir sagen: Wir sind aus Tradition modern und kommen den Menschen mit einem ganzheitlichen Ansatz zu Hilfe.

Wir können uns noch so sehr wünschen, in besseren und weniger kritischen Zeiten unseren Nächsten dienen zu dürfen: Dies, hier und heute, sind unsere Herausforderungen, zu deren Bewältigung wir berufen sind, ohne Wenn und Aber. MI mit seinem weltweiten Netzwerk, seiner Anpassungsfähigkeit und der Verwurzelung in unserem jahrhundertealten Orden kann dabei als Vorreiter gesehen werden.

(2025)

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