Gesundheitshelferin Fatema in Bangladesch: „Für meine Gemeinschaft da zu sein, motiviert mich“
„Ich versichere den Frauen, dass ich immer für sie da bin, wenn sie Probleme haben. Tag und Nacht unterstütze ich sie.“ – Die 50-jährige Fatema lässt keinen Zweifel daran: Sie wird da sein, wenn eine schwangere Frau in der Nacht anruft, weil die Wehen anfangen oder es Komplikationen gibt. Sie erzählt dies mit Stolz und einem Lächeln auf den Lippen, das ihre kleine Zahnlücke entblößt.
Fatema ist eine von rund hundert Gesundheitshelferinnen und -helfern der drei Gesundheitsstationen, die Malteser International gemeinsam mit der lokalen Organisation Gonoshasthaya Kendra (GK) im größten Flüchtlingscamp der Welt betreibt. Die sogenannten “Community Health Worker” leisten einen unentbehrlichen Beitrag für die Gesundheit der Rohingya, die in den Flüchtlingscamps im Distrikt Cox’s Bazar im Süden Bangladeschs nur wenige Kilometer entfernt von ihrer einstigen Heimat Myanmar leben.
Hunderttausende Unterkünfte aus Bambus und Planen schmiegen sich dicht an dicht in die hügelige Gegend. Vor vier Jahren war das Camp noch grau und staubig. Als die rund eine Million Menschen nach der Eskalation der Gewalt in Myanmar innerhalb von wenigen Wochen im Sommer 2017 ankamen, ließ die bangladeschische Regierung die Wälder roden und errichtete Notunterkünfte. Inzwischen haben sich viele grüne Pflanzen zwischen den Unterkünften wieder ihren Weg gebahnt.
Community Health Worker leisten wichtigen Beitrag für die Gesundheit in den Flüchtlingscamps
Ähnlich sind auch in der Gesundheitsversorgung im Camp in den vergangenen Jahren Strukturen gewachsen, die sich eingespielt haben und die zu Verbesserungen der insgesamt noch immer äußerst schwierigen Lebensbedingungen im Camp führen. Das Beispiel der Community Health Worker zeigt, dass die Flüchtlingsgemeinschaft selbst hierbei einen wichtigen und aktiven Part einnimmt.
Selten ist das Wort „Resilienz“ wohl treffender als mit Blick auf diese Gesundheitshelfer und -helferinnen. Wie alle Menschen im Camp hat Fatema Grausames erlebt. „Als ich 2017 mit meinen sieben Kindern vor der Gewalt nach Bangladesch floh, blieb mein Mann in Myanmar, um sich um unseren Besitz zu kümmern. Wir hatten viele Kühe und andere Tiere. Nach ein paar Tagen wurde er getötet.“ Und auch im Camp sind die Herausforderungen groß. „Das Leben ist hart, aber es ist gut zu wissen, dass meine Familie und ich hierher in diese Gesundheitsstation kommen können, wenn wir krank werden, und dass wir Essen vom World Food Programme bekommen. Wenigstens um diese grundlegenden Dinge muss ich mich nicht kümmern. Es gibt in meiner Familie gerade niemanden außer mir, der Geld verdient.“
Trotz dieser traumatischen Erfahrungen und einschränkenden Lebensumstände bleibt Fatema stark – für ihre Kinder und ihre Mitmenschen. Den Job als Gesundheitshelferin kannte sie bereits aus Myanmar. Auch dort ist Malteser International tätig. Vom Team in Myanmar wurde sie lange vor ihrer Flucht als Geburtshelferin (Traditional Birth Attendant) ausgebildet. Nach ihrer Ankunft in Bangladesch erfuhr sie, dass sie auch im Flüchtlingscamp einen Beitrag für die Gesundheit ihrer Mitmenschen leisten und dadurch gleichzeitig ein eigenes kleines Einkommen erwerben kann. „Das Geld, das ich mit dieser Arbeit verdiene, ist sehr wichtig. Damit kann ich Lebensmittel und Kleidung für meine Familie kaufen, vor allem für meine jüngeren Kinder“, erzählt Fatema. Besonders ist dies, da in Bangladesch den Rohingya das Recht auf Arbeit verwehrt bleibt und somit kaum offizielle Erwerbsmöglichkeiten bestehen. Die Arbeit als Gesundheitshelfer ist eine der wenigen Tätigkeiten für die Geflüchteten im Camp, die erlaubt ist und für die es eine Aufwandsentschädigung gibt.
"Wenn ich eine schwangere Frau an das Krankenhaus überweise, kann ich nachts nicht schlafen."
In der Gesundheitsstation, die von unserer Partnerorganisation GK betrieben wird, wurde Fatema als “Sexual Reproductive Health Worker” ausgebildet. „Meine Hauptaufgabe ist es, schwangere Frauen im Camp aufzusuchen, mit ihnen zu sprechen und sie dafür zu sensibilisieren, dass sie zu den Vorsorgeuntersuchungen und Beratungen in der Gesundheitseinrichtung gehen sollten, z. B. zur Ernährungsberatung. Ich begleite die Frauen durch ihre Schwangerschaft und achte u.a. darauf, ob eine Mutter Medikamente einnehmen muss und ob sie dies regelmäßig tut oder nicht“, sagt Fatema. Viele werdende Mütter erfahren so erst, dass sie die Möglichkeit auf kostenfreie Untersuchungen im Camp haben. „Wenn die Frauen im letzten Trimester sind, spreche ich mit ihnen über ihre Pläne, ob sie zu Hause oder in einer Gesundheitseinrichtung entbinden wollen. Wir empfehlen ihnen nämlich dringend, in ein Krankenhaus zu gehen. Wenn das Baby da ist, geht meine Arbeit weiter: Dann spreche ich mit der Mutter darüber, wie sie ihr Baby stillen kann, wann sie beifüttern sollte usw.“ Durch diese Aufklärungsarbeit in der Schwangerschaft leisten Fatema und ihre Kolleginnen einen wichtigen Beitrag zur Mutter-Kind-Gesundheit in den Flüchtlingscamps.
Für ihre Mitmenschen, die wie sie schreckliches erlebt haben, da zu sein, motiviert Fatema. Sie ist mit Leib und Seele Gesundheitshelferin: „Ich besuche die Mütter regelmäßig und rufe sie an, um zu sehen, wie es ihnen geht. Wenn ich eine schwangere Frau an das Krankenhaus überweise, kann ich nachts nicht schlafen. Besonders glücklich bin ich, wenn das Baby ohne Komplikationen entbunden wird und Mutter und Kind gesund sind. Ich bin sehr froh, dass ich meine Arbeit für diese Gemeinschaft fortsetzen kann.“
(Januar 2022)
Unsere Arbeit in Bangladesch
Um die Bedingungen in den Flüchtlingscamps zu verbessern, ist Malteser International seit Beginn der Krise in Bangladesch vor Ort und leistet in den Bereichen Gesundheit, Wasser, Hygiene und Ernährung wichtige Hilfe für Flüchtlinge und Gastgemeinden. Dank der finanziellen Unterstützung durch das Auswärtige Amt und Aktion Deutschland Hilft e.V. sind wir in der Lage, den Betrieb von drei Gesundheitsstationen der bangladeschischen Organisation Gonoshasthaya Kendra (GK) zu ermöglichen. Neben der umfassenden Finanzierung der Gesundheitsstationen unterstützen wir in der Implementierung sowie der administrativen und technischen Abwicklung des Projekts, um die Kapazitäten unserer Partnerorganisation zu stärken und die Qualität der Hilfe sicherzustellen.