Ernährungssicherung und Gesundheit gehen Hand in Hand
Bei Malteser International möchten wir Menschen in Not ein Leben in Gesundheit und Würde ermöglichen. Dazu gehört ebenfalls eine gesunde und nahrhafte Ernährung – auch und gerade in Krisen und nach Katastrophen. Aber woher wissen wir überhaupt, was das für verschiedene Menschen an unterschiedlichen Orten, in unterschiedlichen Kulturen und Klimazonen auf der ganzen Welt bedeutet? Zum einen haben wir Experten für Ernährungssicherung (Food and Nutrition Security, FNS) in unseren Teams vor Ort. Zum anderen haben wir Jennifer Arlt, unsere globale Programm-Beraterin für Ernährungssicherung. Gemeinsam sorgen sie dafür, dass unsere FNS-Projekte bedarfsgerecht und nachhaltig wirksam sind. In diesem Interview spricht Jennifer über ihre Arbeit, den Zusammenhang zwischen Gesundheit und FNS sowie unsere wichtigsten Maßnahmen in diesem Bereich.
Hallo Jennifer, was ist dein Job bei Malteser International und was machst du dabei?
Jennifer Arlt: Ich arbeite für Malteser International als Beraterin für Programme rund um Ernährungssicherung („Food and Nutrition Security“, FNS). Meine Beratungstätigkeit geht „from farm to fork“ d.h. es geht um technische Beratung unserer Projektverantwortlichen in den Bereichen Erstversorgung in humanitären Krisen bis hin zu Resilienzstärkung, also dem Aufbau von Widerstandskräften gegen zukünftige Krisen. Hierfür verteilen wir je nach Situation z.B. Lebensmittel oder Saatgut oder unterstützen durch medizinische Produkte zur Behandlung von akuter Mangelernährung.
Welche Rolle spielt Ernährungssicherung in Malteser Internationals Kernarbeitsbereich Gesundheit?
Jennifer Arlt: Bei Malteser International verstehen wir Gesundheit nicht nur als das Fehlen von Krankheit. Für uns bedeutet Gesundheit, dass Menschen körperlich, seelisch und sozial gut leben können. Deshalb schauen wir über den Tellerrand der klassischen Gesundheitsversorgung hinaus.
Ein wichtiger Baustein dafür ist die Ernährungssicherung. Denn wer sich ausreichend und ausgewogen ernähren kann, wird weniger schnell krank und hat bessere Chancen, im Falle einer Krankheit wieder gesund zu werden. Auch sauberes Wasser, gute Hygiene und sichere sanitäre Einrichtungen spielen eine zentrale Rolle für die Gesundheit.
Unsere Projekte verbinden deshalb Maßnahmen aus verschiedenen Bereichen: Ernährungssicherung, Gesundheit und „WASH“ (Wasser, Sanitär und Hygiene). So stärken wir die Gesundheitsvorsorge und helfen Menschen, sich besser von Krankheiten zu erholen – sei es in der Basisversorgung, bei Notfalleinsätzen bis hin zu Stärkung der Resilienz. Resilienz bedeutet die Fähigkeit von Menschen, Gemeinschaften oder Systemen, sich nach einer Krise wieder zu erholen, sich anzupassen und langfristig stärker und widerstandsfähiger gegenüber Krisensituationen zu werden.
Besonders wichtig ist uns dabei der sogenannte One Health-Ansatz. Er betrachtet die Gesundheit von Menschen, Tieren und der Umwelt gemeinsam – denn alles hängt miteinander zusammen. Wenn wir diese Verbindungen berücksichtigen, können wir nachhaltiger helfen und Ressourcen effizienter einsetzen.
Was tut Malteser International im Bereich Ernährungssicherung?
Jennifer Arlt: Ernährungssicherung ist ein vielseitiger Bereich – und kein Projekt gleicht dem anderen. Bevor wir aktiv werden, analysieren wir genau, was die Menschen vor Ort wirklich brauchen. Denn nur so können wir gezielt helfen.
Momentan sind es ernährungssensible Landwirtschaftsprojekte, die einen Großteil unserer Projekte ausmachen. Das bedeutet: Wir fördern umweltfreundliche Anbaumethoden, die nicht nur die Natur schützen, sondern auch die Ernährung der Menschen verbessern. Ziel ist es, den Speiseplan vielfältiger und gesünder zu gestalten, um beispielsweise Mangelerscheinungen wie Eisen- oder Vitaminmangel vorzubeugen.
Andere Projekte konzentrieren sich stärker auf die Behandlung akuter Unterernährung, vor allem bei Kleinkindern und ihren Eltern. In Krisengebieten haben viele Familien schwere Zeiten hinter sich oder stehen noch mittendrin. Hier leisten wir Unterstützung mit Ernährungstherapien, medizinischer Versorgung und auch psychosozialer Hilfe. Denn für die gesunde Entwicklung eines Kindes braucht es mehr als nur Nahrung – auch Sicherheit, Zuwendung und Stabilität spielen eine große Rolle.
Du bist für deine Arbeit viel auf Reisen. Warum ist das wichtig?
Jennifer Arlt: Unsere Projekte leben von den Menschen, die sie umsetzen. Malter International hat Fachpersonal vor Ort in den Projekten angestellt, die eigenständig und gewissenhaft ihrer Arbeit nachgehen. Sie kennen die Lebensumstände der Bevölkerung genau und wissen, welche Faktoren die Ernährungssituation verbessern oder verschlechtern können.
Falls es technische Fragen zur Planung, Umsetzung oder Auswertung von Projekten gibt, unterstütze ich unsere Teams – und das geht am besten, wenn ich selbst vor Ort bin und die Situation erlebe. Auf meinen letzten Reisen habe ich gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen daran gearbeitet, wie sie ihre Beobachtungen und Messungen besser in den Projektalltag integrieren können. So lassen sich Fortschritte gezielt erfassen – und neue Projekte können auf bereits Erreichtem aufbauen.
Gerade bei der Entwicklung von Folgeprojekten oder neuen Ideen hilft es, wenn jemand von außen mit frischem Blick draufschaut. So entstehen gemeinsam Lösungen, die zu den Bedürfnissen der Menschen passen.
Was ist nach einer plötzlichen Katastrophe wie z. B. einem Erdbeben wichtig, damit Unterernährung vorgebeugt wird?
Jennifer Arlt: Sehr gute Frage. Wenn plötzlich eine Katastrophe wie ein Erdbeben passiert, ist schnelles Handeln entscheidend, um Unterernährung vorzubeugen. Besonders gefährdet sind Schwangere, stillende Mütter und Kleinkinder. Die ersten 1.000 Tage – von der Schwangerschaft bis zum zweiten Geburtstag – sind ein sensibles Zeitfenster, in dem sich entscheidet, ob ein Kind gesund wächst und sich gut entwickelt. Deshalb stehen diese Menschen bei unserer Hilfe ganz besonders im Fokus.
Neben der Ernährung ist auch die psychosoziale Unterstützung enorm wichtig. Eltern brauchen in solchen Ausnahmesituationen Hilfe und Begleitung, damit sie ihre Kinder gut versorgen und ihnen Sicherheit geben können. Stillförderung und kleinkindgerechte Ernährung stehen dabei ganz oben auf der Liste – denn sie sind entscheidend, damit auch die nächste Generation trotz Krise bestmögliche Startbedingungen hat.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Frage: Funktionieren die lokalen Märkte noch? Wenn ja, können wir mit Bargeldhilfen oder Gutscheinen dafür sorgen, dass Familien sich selbst mit Lebensmitteln versorgen können. Zudem wird die lokale Wirtschaft gefördert und so der Wiederaufbau unterstützt. Wenn Märkte jedoch zusammengebrochen sind, liefern wir direkt geeignete Lebensmittel, um die Versorgung sicherzustellen.
Was muss die Weltgemeinschaft deiner Meinung nach tun, um das UN-Ziel „Zero Hunger 2030“ noch erreichen zu können?
Jennifer Arlt: Die Welt produziert genug Nahrung für alle. Dennoch entsteht Hunger: durch ungleiche Verteilung, fehlenden Zugang und hohe Preise. Der aktuelle Welt-Ernährungsbericht (SOFI) 2025 zeigt, dass Fortschritte ungleich verteilt sind: Während in einigen Regionen der Hunger zurückgeht, steigt er in Afrika und Westasien sogar an. Um das UN-Ziel ‚Zero Hunger‘ bis 2030 noch zu erreichen, braucht es entschlossenes Handeln: faire Verteilung, starke soziale Schutzsysteme, Investitionen in nachhaltige Landwirtschaft und Märkte sowie politischen Willen und internationale Kooperation.
(September 2025)