Gesundheit ist das Fundament für nachhaltige Entwicklung
Bei Malteser International möchten wir Menschen in Not ein Leben in Gesundheit und Würde ermöglichen. Aber woher wissen wir überhaupt, was das für verschiedene Menschen an unterschiedlichen Orten, in unterschiedlichen Kulturen und Klimazonen auf der ganzen Welt bedeutet? Als unsere globale Gesundheitsberaterin ist es Ludmila Lobkowicz' Aufgabe, die Gesundheitssituation in unseren Projektländern zu beobachten, gesundheitsbezogene lokale Herausforderungen zu dokumentieren, mit unseren Partnerorganisationen und Mitarbeitenden vor Ort zu sprechen und – was am wichtigsten ist – mit den Menschen, denen wir unsere Unterstützung anbieten möchten. Ludmila Lobkowicz und ihre Kolleginnen und Kollegen in unserem Qualitätsteam stellen sicher, dass unsere Maßnahmen bedarfsorientiert und nachhaltig wirksam sind. Wir haben mit ihr über ihre Arbeit, die Gesundheit weltweit und die wichtigsten Gesundheitsmaßnahmen von Malteser International gesprochen.
Hallo Ludmila, was ist dein Job bei Malteser International? Kannst du uns beschreiben, was du dabei tust, was deine Tätigkeit umfasst?
Ludmila Lobkowicz: Ich arbeite als "Health and Program Advisor" (Gesundheitsberaterin) und berate in all unseren Programmregionen zu den Gesundheitsprojekten, die Malteser International gemeinsam mit Partnern durchführt. Dies umfasst die Unterstützung bei der Bedarfsanalyse, der Konzeption von Gesundheitsprojekten sowie die Beratung bei Fragen zur Implementierung. Ich unterstütze meine Kolleginnen und Kollegen, die Hilfsprogramme entwickeln und umsetzen, bei allen Fragen rund um Gesundheitsthemen – zum Beispiel zu bewährten Vorgehensweisen bei Krankheitsüberwachungssystemen, Mindeststandards in der Basisgesundheitsversorgung oder zur Verbesserung von Health Information Systems.
Gesundheit ist der Kernbereich der Arbeit von Malteser International. Warum?
Ludmila Lobkowicz: Zum einen gehört die Gesundheitsversorgung für Menschen in Not seit Jahrhunderten zur Tradition des Souveränen Malteserordens, dessen Leitspruch „Tuitio Fidei et Obsequium Pauperum“ ist: „Bezeugung des Glaubens und Hilfe den Bedürftigen“. Schon im Jahr 1048 wurde in Jerusalem das erste Hospital für Pilger und Kranke eröffnet, und seither steht der Dienst an den Kranken im Zentrum der Arbeit der Malteser.
Zum anderen belegen zahlreiche wissenschaftliche Studien, dass Gesundheit entscheidend für Lebensqualität und gesellschaftliche Teilhabe ist. In unserer Arbeit leben wir die Definition von Gesundheit, die die Weltgesundheitsorganisation aufgestellt hat: Gesundheit ist mehr als die Abwesenheit von Krankheit; sie ist ein Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens. Wir sind uns auch der engen Verbindung zwischen der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt bewusst. Deshalb ist der One-Health-Ansatz Grundlage vieler unserer Programme. Ein höheres Gesundheitsniveau eines Menschen ist signifikant mit gesteigerter Lebenserwartung, verbesserten Bildungs- und Erwerbschancen sowie einer stärkeren sozialen und ökonomischen Teilhabe verbunden. Das erfahren wir nicht nur aus Studien, sondern erleben es täglich in unserer Arbeit.
Gesundheit ist also sowohl Fundament für nachhaltige Entwicklung als auch Ausdruck unserer Ordenstradition, und spielt daher eine zentrale Rolle für die Arbeit von Malteser International.
Du bist zwar in Köln stationiert, aber bei deiner Arbeit sehr viel auf Reisen. Warum ist es so wichtig, dass du unsere Projekte regelmäßig besuchst?
Ludmila Lobkowicz: Statistiken am Computer und Videotelefonate mit Kolleginnen und Kollegen in den Regionen ersetzen niemals Bedarfsanalysen oder Evaluationen vor Ort, die den persönlichen Eindruck sowie den direkten Austausch mit Mitarbeitenden und betroffenen Menschen ermöglichen. Durch die Gespräche mit den Menschen vor Ort verstehe ich wesentlich besser, welche Unterstützung sie aktuell am dringendsten benötigen und ob laufende Projektaktivitäten angepasst oder verbessert werden können – immer mit dem Ziel, den größtmöglichen Nutzen für die Projektteilnehmenden zu erzielen.
Der direkte Kontakt zu lokalen Akteuren ist dabei unverzichtbar: Er schafft Vertrauen, ermöglicht ein tieferes Verständnis des sozialen und kulturellen Kontexts und stärkt die Zusammenarbeit zwischen internationalen und lokalen Partnern. Nur so kann ich meine Kolleginnen und Kollegen fachgerecht beraten, wie Maßnahmen bedarfsgerecht gestaltet und nachhaltig wirksam umgesetzt werden können.
Was sind die größten gesundheitlichen Probleme der Menschen in unseren Projektgebieten?
Ludmila Lobkowicz: Die größten gesundheitlichen Herausforderungen unterscheiden sich stark je nach Land und Kontext, dennoch lassen sich einige übergreifende Muster erkennen.
In vielen unserer Projektgebiete stehen Menschen vor grundlegenden Problemen wie dem eingeschränkten Zugang zu Basisgesundheitsdiensten, Mangel an qualifiziertem Gesundheitspersonal, unzureichender Ausstattung von Einrichtungen, zum Beispiel fehlenden Medikamenten und medizinischen Verbrauchsmaterialien, sowie einer lückenhaften Gesundheitsfinanzierung. Besonders betroffen sind Einwohnerinnen und Einwohner in abgelegenen Regionen, intern Vertriebene, Geflüchtete und andere Menschen, deren derzeitige Lebenssituation für sie zu einem erhöhten gesundheitlichen Risiko führt.
Gleichzeitig sind die gesundheitlichen Sorgen sehr kontextspezifisch:
- Kolumbien: In Kolumbien, stehen insbesondere die gesundheitlichen Folgen von jahrzehntelangem Konflikt, Vertreibung und Gewalt im Vordergrund. Viele Betroffene unserer Projekte leiden unter psychosozialen Belastungen und Traumata, gleichzeitig bestehen große Versorgungsdefizite in ländlichen Regionen, besonders für Mütter- und Kindergesundheit und psychischer Gesundheit. Daher konzentriert sich Malteser International gemeinsam mit lokalen Partnern in Kolumbien auf die Gesundheit von Mutter und Kind, die medizinische Grundversorgung in abgelegenen Gebieten sowie die psychische Gesundheit und psychosoziale Unterstützung.
- Ukraine: In der Ukraine kümmert sich Malteser International gemeinsam mit lokalen Partnern insbesondere um die psychosoziale Unterstützung der Bevölkerung, die stark unter den Folgen von Krieg, Vertreibung und Gewalt leidet. Im Fokus stehen Angebote zur mentalen Gesundheit – von psychologischer Erste Hilfe über Beratungen und Gesprächsgruppen bis hin zu spezifischen therapeutischen Leistungen. Kinder und Jugendliche erhalten besondere Aufmerksamkeit, unter anderem durch mobile Spiel- und Freizeitprogramme, die helfen, traumatische Erfahrungen zu verarbeiten. Gleichzeitig werden Ärztinnen und Pflegekräfte in Stressbewältigung, Burn-out-Prävention und psychologischer Erstversorgung geschult, um das Gesundheitssystem auch unter den anhaltenden Krisenbedingungen resilienter zu machen.
- Uganda: In Uganda sind nach wie vor Infektionskrankheiten wie Malaria, HIV/AIDS und Tuberkulose weit verbreitet und stellen eine erhebliche Belastung für die Bevölkerung dar. Malteser International arbeitet besonders in den großen Flüchtlingssiedlungen, in denen Millionen Menschen aus dem Südsudan und der DR Kongo Zuflucht suchen, und die WASH, FNS & Gesundheitsbedarfe enorm sind. Außerdem arbeitet Malteser International an der Weiterentwicklung und dem Ausbau der Rettungs- und Notfalldienste (Emergency Medical Services), um die schnelle Versorgung akuter Notfälle national zu verbessern.
- Thailand: Während Thailand über ein vergleichsweise gut entwickeltes Gesundheitssystem verfügt, konzentriert sich unsere Arbeit vor allem auf besonders verletzliche Gruppen wie Migrantinnen und Migranten oder ethnische Minderheiten in Grenzregionen. Diese haben häufig nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung und sind stärker von Gesundheitsrisiken, einschließlich Infektionskrankheiten, betroffen.
Diese Beispiele zeigen, dass Gesundheit nicht isoliert betrachtet werden kann: Sie hängt eng mit sozialen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen zusammen. Deshalb passen wir unsere Programme jeweils an die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen der Menschen vor Ort an.
Was sind die wichtigsten Gesundheitsmaßnahmen von MI?
Ludmila Lobkowicz: Malteser International setzt die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen in den Mittelpunkt seiner Arbeit. Dabei verfolgen wir einen umfassenden Ansatz, der physische, psychische, soziale und mentale Aspekte von Gesundheit berücksichtigt.
Ein wesentlicher Schwerpunkt liegt auf der Verknüpfung von Gesundheit mit den Bereichen Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene (WASH) sowie Ernährungssicherung (Food and Nutrition Security, FNS). Denn nur durch integrierte Programme können wir wirksam zu einer nachhaltigen Verbesserung von Gesundheit und Lebensqualität beitragen. Aufbauend auf diesem integrierten Ansatz wenden wir auch den One-Health-Ansatz an und erkennen an, dass die Gesundheit der Menschen eng mit der Gesundheit der Tiere und der Umwelt verknüpft ist – beispielsweise bei der Prävention von Zoonosen und der Förderung einer nachhaltigen Gesundheit der Bevölkerung. Unsere Maßnahmen umfassen sowohl akute Nothilfe als auch resilienzfördernde Ansätze in der Basis- und Gemeindegesundheitsversorgung.
Unsere Arbeit zielt darauf ab, zentrale Bausteine der Stärkung von Gesundheitssystemen zu fördern, insbesondere die Gesundheitsdienstleistungen (Service Delivery), die Gesundheitsfachkräfte (Health Workforce), den Zugang zu Arzneimitteln, Impfstoffen und medizinischen Technologien (Medical Products, Vaccines and Technologies) sowie die Gesundheitsinformationssysteme (Health Information Systems).
Die wichtigsten Gesundheitsmaßnahmen von Malteser International gliedern sich in Nothilfe und Resilienzaufbau. In der Nothilfe kann MI Einsätze mit einem WHO-zertifizierten Notfallmedizinischen Team (Emergency Medical Team) leisten und verfügt über eine spezialisierte Einheit für Infektionsprävention und -kontrolle (IPC) zur Unterstützung bei Krankheitsausbrüchen. In der Primär- und gemeindenahen Gesundheitsversorgung konzentriert sich MI auf allgemeine klinische Gesundheitsdienste, Kindergesundheit, Ernährungssicherung und WASH, My Healthy Schools – gesundheitsfördernde Schulen, Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, Mütter- und Neugeborenengesundheit sowie die Versorgung nichtübertragbarer Krankheiten und die Förderung psychischer Gesundheit. Zusätzlich entwickelt und baut Malteser International in Uganda, Kenia und Ruanda die Rettungs- und Notfalldienste (Emergency Medical Services) weiter aus, um die schnelle Versorgung akuter Notfälle national zu verbessern.
Durch diese integrierte Arbeitsweise gelingt es Malteser International, sowohl kurative als auch präventive Maßnahmen in den Bereichen Gesundheit, WASH und Ernährung umzusetzen – und so die Gesundheit und Resilienz von Menschen in akuten Notlagen wie auch in langfristigen Entwicklungsprozessen nachhaltig zu stärken.
(September 2025)